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Jahre der Entwicklung

Eine Zwischenbilanz - oder unterwegs mit Churchill und zwei Kamelen... und später noch auf einen Drink bei Woody Allen

Der dritte Winter steht vor der Tür, im Park liegt schon Schnee und draussen ist die Arbeit getan. Ein guter Moment um innezuhalten, auf die letzten drei Jahre zurückzuschauen und einen Blick nach vorn zu wagen.
Um es gleich vorwegzunehmen - es ist nicht alles so gelaufen, wie ich mir das gewünscht und vorgestellt hatte. Zum einen habe ich Fehler gemacht und zum andern waren Wind und Wetter auch nicht immer auf unserer Seite; da nützte auch alles wettern nichts... Und so liegen, beziehungsweise stehen, Wachstum und Entwicklung einerseits, sowie Zerstörung und Absterben andererseits, nahe beieinander im Weidenpark...lapidar aber trotzdem wahr.
Erfahrungsgemäss ist gegen die Wahrheit kein Kraut gewachsen, und da sie manchmal ziemlich bitter schmeckt, ist es hilfreich, etwas Süsses bei sich zu haben. Wahrscheinlich sind sie ihnen auch schon begegnet, diese wohlproportionierten und mundgerechten Seelentröster und Mutmacher, die von Zeit zu Zeit auf den Zuckertütchen der Tearooms und Restaurants stehen. Sie eignen sich vorzüglich als Zwischenverpflegung für unterwegs:

„Erfolg ist nicht endgültig, Misserfolg ist nicht fatal; was zählt ist der Mut weiterzumachen“ (Churchill)
oder
„Geduld und Humor sind zwei Kamele, die dich durch jede Wüste bringen“
(arabisches Sprichwort)

Rückblick
Damit sich Weidenruten gut entwickeln, brauchen sie vor allem Wasser und Licht. Wenn dazu noch ein lehmig feuchter Boden und moderate Temperaturen kommen, gibt es nichts zu jammern.
Der Frühling 2010 war in dieser Hinsicht beinahe perfekt. Doch ich hatte die Rechnung ohne die „lange Dürre“ im Juli gemacht. Das nicht mehr enden wollende Badehosenwetter bedeutete für viele Ruten den vorzeitigen Gang in die ewigen Weidengründe... unter dem Strich aber trotzdem ein passabler Start.
Der Frühling 2011 brachte dann wieder zu wenig Wasser (aus Weidensicht) und so konnte ich die abgestorbenen Ruten leider nicht ersetzen. Dafür halfen mir die Mittelschüler von Guggisberg das Terrain in den Pavillons mit Kies und Bollersteinen zu gestalten. Im Sommer war es dann zu spät um frische Ruten zu stecken. Und noch vor dem Christchindli kam Joachim und brachte eine Bescherung der besonderen Art. Er stürmte nämlich ungestüm übers Land und „beschenkte“ den Park mit „es paar Chlafter Tannigs“. Weder die Weiden noch ich gerieten darob in dankbare Weihnachtsstimmung... nach dem ersten Frust, war ich froh, den ganzen Park vorerst einmal im Januarloch versenken zu können. Der Schnee tat  das Übrige und mir blieb genug Zeit das Ganze zusammen mit den Weihnachtsguezli zu verdauen.
Der März 2012 war dann erfreulicherweise so unvergleichlich trocken und warm, dass ich Joachims Erbe nicht in Gummistiefel und Pellerine antreten musste, sondern im T-Shirt die Unmengen von kleinen und grossen Ästen aus dem Park tragen konnte. Der Schaden an den Weiden erwies sich aber als so gravierend, dass auf  meinem Frontallappen-Display zum ersten Mal das Eröffnungsdatum 2015, rot aufblinkte...
Tausend frische Ruten mussten in den Boden, „ghoue oder gschtoche“, das „Hudelwetter“ im April 2012 kam da gerade recht.
Dem Park mit verschieden Weidenarten auch farblich eine besondere Note zu geben, war zwar eine schöne, aber bedauerlicherweise falsche Idee. Es zeigte sich nämlich, dass besonders die Gelben Weiden anfällig für Krankheiten (Bakterien und Pilze) waren und sich trotz Rückschnitt nicht mehr richtig erholten. Sie müssen im Frühling 2014 durch die robusteren Grünen ersetzt werden.
Im Herbst 2013, genauer am 12. Oktober kam dann schon ein erstes Mal der Winter. Da die Weiden ihre Blätter noch nicht abgeworfen hatten, wurden sie vom schweren Schnee ziemlich platt gedrückt. Obwohl sie ihrem Namen(althochdeutsch wida: die Biegsame) alle Ehre machten, war es doch ein Kampf auf Biegen und Brechen, den nicht alle schadlos überstanden.
In der Hoffnung, dass sie den Winter besser, das heisst, vor allem aufrechter durchstehen werden, entschied ich mich, den Frühlingsschnitt schon im November zu machen. 
Ja, und so lerne ich laufend aus meinen Fehlern und versuche das Beste daraus zu machen. Gegen die Rehböcke, die ihren Bast an den jungen Ruten abschaben, die Junikäfer, die in Scharen im Frühsommer über die jungen Weidenblätter herfallen und die Mäuse, die sich im Winter an den Wurzeln der jungen Weiden gütlich tun, bin ich aber ziemlich machtlos. Und trotzdem bin ich, auch dank meiner Begleiter, nach wie vor zuversichtlich, dass „ de das mit der Zyt scho no guet chunnt“.
Natürlich kann man das auch anders sehen. So zum Beispiel die zwei Passanten hoch zu Ross (wären sie auf Kamelen dahergekommen, hätte es vielleicht anders getönt), deren Dialog ich beim Weiden schneiden zufällig mithörte:“ Du, was meinsch, wird das hie äch mau öppis? Jääähh i gloube nid, in es paar Jahr isch das hie aus verwiuderet. Aber lueg, da isch ja widermau eine am schnätze...“ 
Einem eingefleischten  Skeptiker wie mir sind solche „Sprüche“ selbstverständlich vertraut. Wahrscheinlich liegt es in der Natur der Sache (und der vom Leben gezeichneten Menschen), dass sich etwas Neues oder Unkonventionelles zuerst bewähren muss, bevor ihm die angemessene Anerkennung und Wertschätzung zuteil wird. Insofern verstehe ich auch jene Bauern, die es lieber sähen, wenn das Gras, das ich vom Mai bis Oktober zirka alle zwei Wochen  mit meinem Schlegelmäher zu Gründüngung verarbeite, in einer „Chueschnurre“ landen würde. Und vielleicht wird es sie schmerzen wenn sie sehen, wie dieses Gras dereinst von Touristen zertrampelt werden wird. Ich kann das nachvollziehen, denn unsere Milchschafe und Pferde fressen nämlich auch lieber Gras als Touristen. Auf der anderen Seite weiss ich aber auch, woher die Direktzahlungen kommen -

...auf einen Drink bei Woody Allen
Dass unser Leben immer umfassender und hektischer durch finanz-ökonomisches Denken und Handeln bestimmt wird, gehört für mich zu den Wahrheiten, die auch einen bitteren Beigeschmack haben. „Ren(n)tiere oder krepiere“...,  auch der Weidenpark wird sich dieser Dynamik stellen müssen und früher oder später wird das Geld in der Erfolgsrechnung und in der Bilanz auftauchen. Ich bin für später. Vorderhand will ich mich vor allem den Weiden des Parks widmen. Das Geld drucke ich, wenn der Weidenpark systemrelevant und die Schulden hoch genug sind...
 “Der Mensch lebt aber nicht nur vom Brot allein, ab und zu braucht er auch einen Drink“ (Woody Allen).
Welche Zutaten in diesen „Drink“ gehören, muss jeder für sich entscheiden. Ich bin für: 1/3 Phantasie, 1/6 Poesie und 1/6 Muse, 1/6 Experimentieren, 1/6 Begeisterung und dazu noch ein Spritzer Verrücktheit, geschüttelt nicht gerührt.
Ausblick
Wie schon angetönt, wird es wahrscheinlich nichts mit der Eröffnung im Mai 2015. Wann es soweit sein wird, hängt zum einen von der künftigen Entwicklung der Weiden ab und zum anderen von meiner Vorstellung, wie der Park bei der Eröffnung aussehen soll.
Und da es „Erstens anders kommt, als zweitens man denkt“, werde ich keine allzu kühnen Prognosen wagen, und im nächsten Frühling vor allem neue Weidenruten stecken. Die älteren werde ich solange immer wieder zurück schneiden, bis sie dicht und stark genug sind, um sich vertrauensvoll den Horden von „dehydrierten“ Touristen entgegen zu stellen, die getrieben von der Sehnsucht nach einem „Drink“, dereinst über den Weidenpark herfallen werden...
Nebenbei bin ich immer noch auf der Suche nach einem alten Bau- oder Zirkuswagen, den ich zu einem Material- und Kassenhäuschen umbauen kann. Ebenfalls auf der Traktandenliste stehen: GmbH gründen, Betriebskonzept schreiben und - die Eröffnung ins Auge fassen...

...und so mache ich mich denn wieder auf den Weg, langsam zwar, aber stetig.

Here we go Churchill ! Allez y mes chameaux !

Toni Bürki (Nr. 5001)